Mehrkammer Ocarinas - Sweet Potatoes

(c) E. Stennes-Falter

Verschiedene Grundtypen

Ocarinas mit einer Kammer haben einen Tonraum von maximal 1,5 Oktaven. Um ihn zu erweitern, wurden "Double Ocarinas", "Triple Ocarinas" und "Quadruple Ocarinas" erdacht.

Diese Instrumente haben zwei bzw. drei und vier Kammern, deren Tonleitern sich ergänzen.

Man unterscheidet zwischen dem Vicinelli- und dem Pacchioni-System.

Beim Vicinelli-System gibt es - wenn überhaupt - nur eine sehr kleine Überlappung im Tonraum der verschiedenen Kammern. Beim Pacchioni-System überlappt sich der Tonraum der Kammern wesentlich deutlicher. Daher benötigt man im Pacchioni-System mehr Kammern für denselben Tonraum. Der Tonraum einer Pacchioni-Tripla entspricht dem einer Vicinelli-Doppia.

In Deutschland wurden Mehrkammer-Instrumente der Firma Stein durch die Importe der Firma Ocarinamusic bekannt. Diese Mehrkammer-Instrumente werden mit Griffsystemen angeboten, die zwar alle dem Prinzip des italienischen Vicinelli-Systems folgen, jedoch kleine Unterschiede aufweisen. So reicht die 1. Kammer bei den meisten mir bislang bekannten Multichamer-Ocarinas nicht bis zum E sondern nur bis zum Es. Das hängt mit der angestrebten Größe der Grifflöcher zusammen.

 

Tonraum-Vergleich einer asiatischen Double und einer 12-Loch-Okarina

Die Grafik zeigt, dass die 1. Kammer einer Vicinelli-Double gegenüber einer 12-Loch-Ocarina durch die Wegnahme des 2. Daumenlochs verkürzt ist. Die 2. Kammer setzt den Tonraum der ersten Kammer mit den Stufen 10, 11, 12, 13, 14, 15 inclusive chromatischer Zwischenstufen bis zur 2. Oktave fort.

Tonraum Focalink AC Ocarina - Tonraum STein AC Double Ocarina
Klingender Tonraum der Focalink AC Ocarina im Vergleich zur Stein AC Double Ocarina

Wie auch bei Blockflöten üblich, werden diese Instrumente eine Oktave tiefer notiert, als sie klingen.

Anmerkung zur Grafik:

Der blaue Kasten rahmt den spielbaren/klingenden Tonraum einer üblichen 12-Loch AC-Ocarina oder 12-Loch-C3 ein.

Der rote Kasten rahmt den spielbaren/klingenden Tonraum einer AC V(asian)-Double ein.

Die linke gestrichelte Linie zeigt die Aufteilung der Kammern an.

Die rechte gestrichelte Linie zeigt an, dass bei manchen Instrumenten auch dieser Ton spielbar ist, jedoch nicht bei allen Instrumenten funktioniert. Bei meinem Instrument funktioniert er z.B. nicht. Statt dessen erklingt ein anderer höherer Ton.

 

Traversocarinas werden in der Regel mit einem linearen Griffsystem gespielt.

Das lineare Griffsystem der einfachen Ocarina kann sich von Hersteller zu Hersteller unterscheiden. ( siehe > europäisches Griffsystem / asiatisches Griffsystem) Außerdem können sie eine unterschiedlich Zahl von Grifflöchern aufweisen (8, 9, 10, 11, 12, 13). Sobald mehr als 10 Grifflöcher zu sehen sind, muss man überprüfen, inwieweit es sich bei den Doppellöchern um Splitholes oder um eine Kombination von normalem Griffloch und Subhole handelt.

Bei den meisten asiatischen Griffsystemen ist das Griffsystem der großen Kammer der Double-Ocarina mit dem Griffsystem auf der einfachen 12-Loch-Ocarina fast identisch. Es fehlt lediglich das 2. Daumenloch. Deshalb ist der Tonraum der großen Kammer etwas kleiner, als der einer 12-Loch-Ocarina. Die beiden "abgeschnittenen" Töne werden auf der nächsten kleinen Kammer gespielt.

Die Anblaskanäle der verschiedenen Kammern sind im Mundstück dieser Okarinas nebeneinander angeordnet.

Auf dem Foto sieht man die beiden Öffnungen einer Double-Ocarina.

Mundstück der Double-Ocarina (Hersteller: Stein)
Mundstück der Double-Ocarina (Hersteller: Stein)

In diesem englischen Video-Review >klick< ist im letzten Teil gut zu beobachten, wie der Ocarina-Spieler die Anblaskanäle wechselt.

 

Im ersten Teil des Videos hält er zwei Ocarinas mit unterschiedlich angesetzten Mundstücken nebeneinander.  Das eine tendiert Richtung 90° das andere mehr nach 45°. Das wirkt sich deutlich auf die Spielhaltung aus. Bei einem Ansatzwinkel von etwa 45° fühle ich mich persönlich wohler, weil ich das Gefühl habe, dass die rechten Hand mehr Bewegungsfreiheit hat und der Arm weniger eng gehalten werden muss.

 

Beispiele für die Vielfalt der Doppel-Okarinas / Doubles /Doppias

Die Bildergalerie zeigt Doppel-Okarinas verschiedener Hersteller. Die erste Kammer ist bei diesen Modellen ganz unterschiedlich gebaut. Die beiden Kammern überschneiden sich verschieden weit.

(1) Die asiatische Vicinelli-Variante von Stein hat 2 Subholes.

(2) Die V(as)-Double von Kurt Posch kommt im gezeigten Beispiel ohne Subhole aus. Er baut sie auch mit einem Subhole.

Die hier gezeigten Doppias von Giorgio Pacchioni (3) und Christoph Hense (4) sind beide im Pacchioni-System gestimmt haben aber in der ersten Kammer eine unterschiedliche Zahl Grifflöcher.

Umstieg von der einfachen Ocarina auf eine Double-Ocarina

Die Griffsysteme der ersten Kammer variieren nur minimal. Im Kernbereich (Grundton bis None) sind sie alle mit dem der einfachen 10-Loch-Okarina identisch. Daher ist es kein Problem von der einfachen Ocarina auf eine Double-Ocarina umzusteigen. Wer sich also nicht sicher ist, ob ihm das Musizieren auf so einem Instrument gefällt,  kann seine ersten Versuche mit einer einfachen 9- 10- 11- oder 12-Loch-Ocarina starten. 

Verzichtet man dabei auf die beiden obersten Töne, entfällt beim Umstieg auf die Double-Ocarina das Umlernen dieser Töne/Griffe.

 

Wer sich Musik erarbeiten möchte, die nicht über diese beiden Töne hinaus geht, bevorzugt meistenst eine 10-, 11- oder 12-Loch-Okarina, weil auf diesen bis zur 13. Stufe ohne Kammerwechsel gespielt werden kann.

 

Um das Spiel auf der 2. Kammer systematisch erarbeiten zu können, entwickelte ich im Laufe der Zeit ein eigenes methodisches Konzept. Die Notenhefte finden Sie hier > klick <

Die Idee dazu entstand, als ich 2014 meine erste Doppel-Okarina erwarb, mit dem Ziel, die mir vertraute Blockflötenliteratur auf Okarinas spielen zu können. Schnell wurde mir klar, dass man dafür ganz neue methodische Wege denken muss. Da gut aufbereitetes Studienmaterial für Okarinas rar ist, protokollierte ich die ausprobierten Übungsschritte und fand dann auf diese Weise ein zum Instrument passendes Lernkonzept.

Im deutschen Musikalienhandel waren ausschließlich die von Johann Rotter / Ocarinamusic (geschlossen Dez. 2020) importierten Multichamber-Ocarinas der taiwanesischen Firma Fokalink/Stein erhältlich. Dadurch stellte sich mir die Frage nach den verschiedenen Stimmsystemen zunächst nicht. Da diese Instrumente gut sind, habe ich den Kauf von Stein-Ocarinas nie bereut. Sie haben einen guten , klaren Klang und sind sauber gestimmt. Um die korrekte Intonation zu erlernen, ist es allerdings ratsam, mit einem Stimmgerät zu arbeiten, bis man ein Gefühl für den richtigen Blasdruck entwickelt hat. Denn Ocarinas reagieren auf Blasdruckänderungen mit deutlichen Tonhöhenschwankungen.

2017 lernte ich dann das Pacchioni-Griffsystem und 2019 das FABIO-Griffsystem kennen. Die größeren Überlappungen der Kammern haben diverse Vorteile. Sie ermöglichen eine Reduzierung der Kammerwechsel und dadurch Triller, die beim Vichinelli-System einen Kammerwechsel erfordern. An den Pacchioni-Ocarinas gefällt mir unter anderem sehr, dass sie für einen nicht ganz so hohen Blasdruck und einer flacheren Blasdruckkurve als die Stein-Okarinas gebaut sind. Diese Eigenschaft empfinde ich als Vorteil, wenn ich mit anderen Instrumenten zusammen spielen möchte.

Sehr spannend finde ich auch die von Kurt Posch vorgestellten Mehrkammer-Okarinas, deren Entwicklung ich seit 2019 beobachte. Er baut Doppelokarinas mit V(as)-Griffsystem sowohl ohne als auch mit einem Subhole. Der Verzicht auf das 2 Subhole ermöglicht eine Intonation der Double, bei der der Leitton kräftiger klingt als bei den mir bekannten Multichamber-Ocarinas mit 2 Subholes. Das Ringen um eine gute Intonation der zwei Subholes ist für jeden Okarinabauer eine große Herausforderung.

Variationen der Mehrkammer-Okarinas / Multichamber-Ocarinas

Bei den Travers-Mehrkammer-Okarinas kann man also 2 Grundtypen unterscheiden:

 

  - Vicinelli-System ohne oder mit nur minimaler Überlappung der 1. und 2. Kammer. Der Tonraum einer Double in C umfasst ohne Subholes exakt 2 Oktaven:

C5 - C7 (oktaviert notiert von C4 bis C6).

Mit Subholes ist der Tonraum (englisch "range") größer. Er beginnt bei einer C3- oder Alto-C-Okarina (kurz: AC-Ocarina) beim A4 und reicht dann in der Regel ebenfalls bis C7. Bei der FABIO-Ocarina reicht die 2. Kammer einen Schritt weiter, also von A4 bis D7. Die FABIO-Okarina ist eine 2019 auf dem internationalen Okarinafestival in Budrio vorgestellte Variation des Vicinelli-Griffsystem, dessen erste Kammer anders als andere aus Asien stammenden Multichamber-Okarinas dem italienischen Vorbild entsprechend bis zum E5 reicht, anstatt beim Es5 zu enden. Als Tripla hat sie noch eine 3. Kammer, die bis zum G6 reicht. Für weitere Details braucht's einen separaten Bericht. Sonst wird das hier zu verwirrend.

 

 - Pacchioni-System - Dieses System schiebt zwischen die erste und zweite Kammer des Vicinelli-Systems eine mit beiden Kammern überlappende "Brücke". Der Tonraum der 3. Kammer des Pacchioni-Systems ist mit dem Tonraum der 2. Kammer des Vicinelli-Systems identisch, sofern dieses mit einem Subhole ausgestattet ist. Ohne Subhole startet diese Kammer mit F.

Hier einige Beispiele für die Verteilung des Tonraumes bei 3-Kammer-Systemen, die auf Travers-Okarinas in C-Lage basieren.

Abkürzungen:  V=Vicinelli / VAs= Vicinelli-Asiatisch / P=Pacchioni /F=Fabio

 

1. Kammer Variationen (Beispiele)

(P)(V) C5 - E6  (F) A4-E6  / (VAs) A4 - Es6  / (P) H4 - E6

Das Prinzip der Variationen:

Die üblichen 10-, 11- und 12-Loch-Griffsysteme werden um 1 Daumenloch reduziert.

Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten:

 A. reduziertes 10-Loch-System mit nur 1 Daumenloch mit unterschiedlicher Reichweite:

   > P V F reichen bis zur Stufe 10

   > VAs reicht bis zur Stufe b10

Dieses auf 9-Löchern gespielte System weicht vom normalen 9-Loch-System ab, da das normale 9-Loch-System 2 Daumenlöcher und 7 Fingerlöcher hat.

 

B. reduziertes 11- oder 12-Loch-System

 + 1 Subhole

 + 2 Subholes

 

2. Kammer Variationen (Beispiele)

(V) E5 - C6  / (F) E5 - D6 / (P) C5 - G5  (P) H4 - G5 

 

3. Kammer Variationen (Beispiele)

(VAs) Cis6 - G6 / (F) C6 - G6  (P) E5 - C6

 

Recherchen förderten zahlreiche Variationen an Mehrkammer-Griffsystemen zutage. Bei Vergleichen ist die Betrachtung der 2. Kammer besonders interessant. Der folgenden Grafik sind alle Variationen der 2. Vicinelli-Kammer zu entnehmen, die ich bislang entdecken konnte.
Die ersten Doppia-Formen wurden zwischen 1878 und 1920 von Cesare Vicinelli entwickelt. Darauf bauten dann zahlreiche Variationen der Idee auf. Dabei wurde einerseits die Anzahl der Kammern erweitert und andererseits der Fingersatz verändert.

Die Symbole stellen ausschließlich die Anordnung der Grifflöcher in der 2. Okarina-Kammer dar. Der Punkt links außerhalb des Rechtecks stellt das Daumenloch dar, welches nicht bei jeder Okarina zu finden ist.

Innerhalb des Rechtecks zeigt das erste Loch von links die Position des Zeigefingers an. Dann folgen Mittelfinger, Ringfinger und kleiner Finger.
Senkrecht übereinander abgebildete Löcher werden zusammen von einem Finger abgedeckt. Hierbei handelt es sich entweder um Subholes oder Splitholes.

Auch das Pacchioni-System wurde in einigen wenigen Punkten variiert. Giorgio Pacchioni selbst experimentierte mit der Verwendung von Sub- und Splitholes. Christoph Hense reduzierte für seine kompakte Version die Zahl der Grifflöcher in der ersten Kammer, um die Okarina für Kinderhände besser spielbar zu machen. Vergleichbare Instrumente von Olivier Gosselink und Songbird hatte ich bislang leider noch nicht in den Händen.

Die Vorteile des Pacchioni-Systems liegen eigentlich auf der Hand. Trotzdem ist es wesentlich weniger verbreitet, als das Vicinelli-System.

Die Tonraumspanne der 2. Vicinelli-Kammer

Obwohl es für die 2. Kammer eine ganze Reihe verschiedener Griffsysteme gibt, weicht die Tonraumspanne der 2. Kammer nur in wenigen Fällen voneinander ab. Sie beträgt bei den meisten Doppel-Travers-Okarinas des Vicinelli-Typs eine kleine Sexte. Bei in C gestimmten Instrumenten ist das der Tonraum von E bis C.

Die Tonraumspanne der Variante, die von E bis zum D hinauf reicht beträgt eine kleine Septime.

Beim Pacchioni-System finden wir diesen Tonraum in der 3. Kammer, sofern diese ein Subhole hat. Ohne Subhole reicht diese Kammer von F bis C. Die Reichweite beträgt dann eine Quinte.

Die 2. Kammer des Pacchioni-Systems ist mit der des Vicinelli-Systems nicht vergleichbar und hat eine völlig andere Funktion. Durch die große Überlappung der Pacchioni-Okarina-Kammern, lässt sich zum einen die Zahl der Kammerwechsel deutlich reduzieren und zum anderen werden Triller an Stellen möglich, die auf dem Vicinelli-Griffsystem durch Kammerwechsel erschwert werden.

Eine Empfehlung für dieses oder jenes Griffsystem zu geben, ist schwierig. Wie gut sich die verschiedenen Griffsysteme spielen lassen, hängt auch davon ab, wie die Instrumente ausbalanciert sind und wie die individuelle Handform (Größe im Allgemeinen, die Längenunterschiede der Finger und deren Breite) zum Instrument passen.

Am Griffsystem der FABIO-Okarina gefällt mir, dass der Tonraum der ersten und 2. Kammer etwas weiter reicht und dadurch auch beim Vicinellisystem eine kleine Überlappung der Kammern aufweist.

Um Übungshefte entwickeln zu können, die mit allen Mehrkammer-Okarinas kompatibel sind, suchte ich nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner.
In der ersten Kammer ist das der Bereich C5-Es6 (notiert C4-Es5).

In der 2. Vicinelli-Kammer und in der 3. Pacchioni-Kammer ist das der Bereich E6-C7 (notiert E5-C6).

Bezugsquelle

Auf dem Vicinelli-Griffsystem basierende Mehrkammer-Okarinas werden von sehr vielen Okarinabauern angeboten.

Im deutschen Musikalienhandel sind Instrumente von Focalink/Stein (Taiwan) zu finden. Die über den Importeur und Ocarinabauer Johann Rotter (Österreich) bezogenen Instrumente bekommt man im Musikhaus Thomann. Diesen Instrumenten liegt in der Regel ein deutschsprachiges Notenheft mit kurzer Spielanleitung bei. Der Webshop von Johann Rotter wurde Ende Dezember 2020 geschlossen:

https://ocarinashop.com/epages/ncs24972088.sf/de_AT/?ObjectPath=/Shops/4972088/Categories/Double_Ocarina

 

Man kann auch direkten Kontakt zu Okarinabauern aufnehmen und fragen, welche Modelle gerade vorrätig sind.

Hersteller von Double-,Triple- oder Quadruple-Ocarinas

 

Weitere Ocarinaformen mit mehreren Kammern

     > Duett-Ocarinas

     > Double-Pendants

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