Missnia - Die schwarze Okarina von Freyer&Co

Kurzbeschreibung
* Freyer Co Missnia 6 *
- aus weißem Ton
- schwarz bemalt mit Resten bronzefarbener / goldfarbener Beschriftung
- Hersteller: Freyer & Co (begann mit dem Okarinabau 1891 oder 1893)
- Alter möglicherweise 100 Jahre, da sie von der 65-jährigen Verkäuferin dem Großvater zugeordnet wurde;
- Stempel: FREYER Co MISSNIA / runde Stempel schwer lesbar
- Markierung der Grifflöcher mit Zahlen und Buchstaben als Lern- und
Orientierungshilfe;
- Kennzeichnung der Stimmlage: 6
- Tonumfang h’/c’’ bis f’’’ (B4 bis F6)
- schlanke Rübenform
- Länge: ca. 18cm
- wurde Jahrzehnte nicht mehr gespielt;
- keinerlei Beschädigungen am tönernen Instrumentenkörper, jedoch stellenweise starker Abrieb der Farbe;
- nach sorgfältigem Einspielen entwickelte sie einen guten Ton;
- mit sanftem Blasdruck lässt sie sich bei A=440Hz in C-Dur intonieren > leicht hauchiger Klang; mit stärkerem Blasdruck steigt der Ton zwar etwas, wird dafür aber klarer und kraftvoller;

- Blasdruckkurve: Start mit weichem mittlerem Blasdruck, dann zunächst leicht und im letzten Drittel stark ansteigend;
- Ausgang des Windkanals: eng > gibt beim Spiel einen guten Widerstand, was lange Phrasierungen ermöglicht.


Missnia ist die Lateinisierung des Namens Meissen. Sie wurde von Freyer&Co als Modellbezeichnung verwendet.
Die Kennzeichnung 6 verweist im Sortiment von Freyer&Co auf die Stimmlage C (c’’ bis f’’’ oder C5 bis F6). In welchen Stimmlagen dieses Modell außerdem noch gebaut wurde, ist mir bislang nicht bekannt. Ein Fotofund deutet auf eine Missnia in A hin. Die Modelle in Porzellan
wurden nachweislich in G (3), F (4), D (5), C (6) und A (8) gebaut. Das könnte auch auf die MISSNIA zutreffen. Belege fand ich dafür bislang aber keine.
Die Zahlen entsprechen dem Nummerierungssystem von Fiehn und EWA. So konnten sie in Katalogen der Musikalienhändler, in denen Angaben zu den Herstellern fehlen, zusammen gelistet werden.
Instrumente in den Stimmlagen 1, 2 oder 7 sind mir von Freyer&Co bislang noch nicht begegnet
. Es sind alte Instrumentenkataloge von Meinel und Herold erhalten, in denen in der Rubrik "Okarinas aus Ton (Terracotta)" B-Instrumente mit einer Länge von 17cm gelistet sind. Ob die von Freyer&Co stammten, darf bezweifelt werden. Die Katalognummer verweist auf ein C-Instrument, dessen Form an Fiehn- oder EWA-Okarinas erinnert. Mit 17cm Länge müssten diese B-Okarinas eine etwas gedrungenere Form gehabt haben als die "MISSNIA".  Meine schwarze "MISSNIA" mit Grundton C ist 18cm lang.

Bespielbarkeit der Okarina
Diese Okarina ist kein perfektes Konzertinstrument. Aber sie ist eine
für die Hausmusik brauchbare Okarina mit der Option zum Unterblasen des Grundtons. Mit entsprechender Übung kann man ihr einen schönen Klang entlocken.
Beim Einspielen ist ein Stimmgerät unerlässlich, damit man erkennen kann, mit welcher Blasdruckkurve das Instrument spielbar ist und korrekt intoniert werden kann.

Die Bespielbarkeit einer Okarina steht und fällt meiner Meinung nach vor allem mit der Form des Windkanals. Er läuft bei dieser Okarina am Ende ziemlich eng aus. Das sorgt für einen gewissen Widerstand, wenn man hinein bläst. Und dieser Widerstand sorgt beim Spielen für einen geringen Luftverbrauch. Das erleichtert das Spielen langer Atembögen.

Anders als die Porzellan-Okarinas von Freyer & Co ist der Tonkörper dieser Okarina nicht so hoch gebrannt, dass er ausgesintert ist. Die (mir unbekannte) gewählte Brenntemperatur war genügend niedrig, dass der Ton saugfähig blieb. So staut sich das Kondenswasser im Windkanal nicht so schnell. Der Ton leitet die Feuchtigkeit ab. Das wird von vielen Okarinabauern so gemacht. Ein weiterer Vorteil: Die Instrumente können nach dem Brand noch nachgestimmt werden, bevor der Schutzanstrich aufgetragen wird.
Sieht man durch die Grifflöcher in die Okarina hinein, erkennt man, dass sie innen weiß ist. Das lässt mich annehmen, dass dieses Instrument aus Porzellanerde (Kaolin) der Meissner Umgebung hergestellt wurde.
Der weiße Ton zeigt im Innenraum der Okarina keinerlei Verschmutzungen und sie riecht sauber. Dieser Zustand lässt auf eine gute, trockene und saubere Lagerung schließen.

Das äußere Erscheinungsbild der Okarina ist schlicht.
Der Körper der Gefäßflöte ist in einwandfreiem Zustand, keine Risse, Kratzer oder Einritzungen, keine Abplatzungen.
Die schwarze Farbe weist allerdings deutliche Abnutzungsspuren auf, die weniger auf das Spielen sondern hauptsächlich auf die Art der Lagerung zurückzuführen sein dürften. Denn an den Rändern der Grifflöcher ist die schwarze Farbe zum Teil noch gut erhalten. Intensiv bespielte Okarinas weisen da ringförmige Abnutzungen auf.
Die in den Tonkörper gedrückten Buchstaben und Ziffern, die die Grifflöcher kennzeichnen, sind alle unbeschädigt und da sie nicht mit der schwarzen Farbe zugekleistert wurden, sind alle sehr gut lesbar. Sie wurden ursprünglich mit goldener/bronzener Farbe optisch hervorgehoben. Doch die ist bis auf dünne Reste verschwunden. In den Vertiefungen ist die Farbe noch zu erahnen. Am besten ist die goldene/bronzene Farbe auf der Firmensignatur „FREYER Co MISSNIA“ und den runden Stempeln erhalten. Die auf das Mundstück
geprägten Stempel konnte ich leider noch nicht entziffern. Für die lesbaren Buchstaben fand
ich noch keine Deutung.
Die Markierung für die Stimmlage, eine am Mundstück eingedrückte 6, ist gut lesbar, fällt aber nicht direkt ins Auge, weil sie komplett schwarz ist. Man muss einen günstigen Schattenwurf erwischen, um sie
erkennen zu können
.

Wert der Okarina? Woran misst man den?
Ich bin kein Antiquitätensammler. Bei Sammlerpreisen bin ich raus.
Für mich zählt in erster Linie, ob ein Instrument spielbar ist oder nicht. Eine Dokumentation der Okarinagriffsysteme und der Okarinageschichte kann ich nur mit preisgünstigen Instrumenten zusammenstellen. Deshalb suche ich nach günstigen Angeboten und bin dankbar für jeden Preisnachlass oder gar Spende. Meine Gegenleistung sind meine Berichte und Fotos und die Finanzierung dieser Webseite.

In diesem Fall kann ich die Frage nach der Bespielbarkeit der Okarina positiv beantworten. Mit etwas Übung ist sie auch korrekt intonierbar. Die Qualität des Spielgefühls wird jeder gemäß seinen persönlichen Vorlieben beurteilen. Die Blasdruckkurve beginnt sanft, steigt zuerst flach und dann immer stärker an. Am Ende muss man viel Druck geben, um die hohen Töne zu bekommen. Auf die Acute-Bend-Technik reagiert diese
Okarina meiner Meinung nach nicht, wohl aber auf Änderungen der Haltung von Unterkiefer und Zunge. Wer fortgeschrittene Spieltechniken beherrscht, findet sicher Möglichkeiten, Tonfindung und Klangformung für so ein Instrument zu optimieren.
Ich habe Spaß daran, wie sich die schwarze MISSNIA nach und
nach frei spielen lässt und sich dabei ihr Klang entwickelt. Mit ihren Eigenheiten habe ich mich schon arrangiert. Form, Größe und Gewicht sind mir in den Händen sehr angenehm.
Auch die Lochabstände passen mir gut. Die Finger fanden die Grifflöcher sofort. Angehobene Finger brauche ich nur fallen lassen. Sie treffen die Löcher auf Anhieb.
Es ist schon sehr interessant die Spieleigenschaften verschiedener Okarinas zu vergleichen. Daher möchte ich die schwarze MISSNIA in meiner Sammlung nun nicht mehr missen
.

Linksammlung

 

Tonlagerstätten in Deutschland

https://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Geologisches%20Portrait/Lagerst%C3%A4tten/Ton-Lagerst%C3%A4tten%20%28Tone%20und%20Bentonit%29

 

Porzellanerde / Kaolin in Sachsen
https://www.smwa.sachsen.de/blog/2023/12/05/schachtanschlag-in-der-porzellanmanufaktur-meissen/

 

TIBIA - Fachzeitschrift für Blasinstrumente

https://www.moeck.com/de/tibia/tibia-online/ 

 

Gunther Joppig

https://de.wikipedia.org/wiki/Gunther_Joppig

In TIBIA 4/2011 wurde von ihm ein Beitrag über die Okarinas aus MEISSEN veröffentlicht.

 

Herkunft des Namens Meissen und Missnia
https://www.meissen-lese.de/streifzuege/geschichtliches/wie-meissen-zu-seinem-namen-kam/

 

 

Travers-Okarina Griffsysteme

8-Loch / 9-Loch / 10-Loch / 11-Loch / 12-Loch / 13-Loch