Wie gut ein Instrument klingt, hängt nicht nur davon ab, ob es handwerklich gut hergestellt wurde, sondern auch davon, wie es gespielt wird. Bei einer Okarina hängt es unter anderem ganz wesentlich vom Blasdruck ab, ob sie verstimmt oder gut klingt. Um den für eine Okarina richtigen Blasdruck herauszufinden, muss man etwas experimentieren. Dabei beobachtete ich im Laufe der Zeit einige Unterschiede bzw. Gegensätze. Diese sind die wichtigsten
- kaum merklich / deutlich ansteigende Blasdruckkurve
- gleichmäßig / unregelmäßig ansteigende Blasdruckkurve
- Grundton lässt sich nur wenig / sehr deutlich absenken
- für niedrigen / hohen Blasdruck ausgelegt.
Wie eine Okarina reagiert, hängt davon ab, wie sie der Okarinabauer intoniert hat. Fehlen Hinweise auf den vom Okarinabauer angestrebten Grundton, testet man, in welchem Bereich die Okarina am besten klingt. Dazu bläst man einen ganz langen Ton und lässt diesen durch Änderung des Blasdrucks aufsteigen, bis der Ton gepresst klingt und dann so tief absinken, bis der Ton zittrig und unsauber wird. Diesen Bereich nenne ich "Intonationsspielraum". Die dunklen Töne einer Okarina haben in der Regel einen größeren Intonationsspielraum als die hellen Töne derselben Okarina. Wenn unklar ist, in welcher Tonart eine Okarina am besten funktioniert, orientiert man sich deshalb am besten am Intonationsspielraum der höchsten Töne.
Bekomme ich eine alte Pendant-Okarina ohne Hinweise auf das Griffsystem geschenkt, vergleiche ich die verschiedenen Lochgrößen, notiere deren Position und stelle den Intonationsspielraum für jedes einzeln geöffnete Loch fest.
Bei Pendant-Okarinas ergeben sich daraus Hinweise auf das Griffsystem.
Mein Testobjekt
In dem Überraschungspäckchen, das ich aus dem Okarinamuseum von Hans Rotter erhielt, fand ich eine muschelförmige Okarina, auf deren Vorderseite ein kleines Eulengesicht
eingeprägt ist.
Die Art der Glasur deutet darauf hin, dass sie zu den etwas älteren Schätzen aus der Werkstatt "Ocarinamusic" gehört. Eine sehr schöne Ergänzung meiner Sammlung. Dankeschön, Hans Rotter!
Im aktuellen Sortiment bietet ocarinamusic muschelförmige Okarinas mit dem Easy-Ocarina-System (4 Löcher) und mit 7-Loch-System an. Die Eulen-Okarina hat 4 Löcher. Also eine Easy Ocarina? Nein! Wer sich mit Grifflochsystemen auskennt, tippt beim Anblick der Größenverhältnisse der Löcher vermutlich sofort auf "English Crossfingering".
Kann das sein?
Ja. Diese Okarina stammt aus der Zeit, als Karin Rotter sich mit dem English Crossfingering beschäftigte und in der Werkstatt "ocarinamusic" für den Verkauf auf Märkten
immer wieder unterschiedlich gestaltete Serien in kleiner Stückzahl hergestellt wurden. Damals waren die Okarinas noch nicht für den Musikalienhandel genormt.
4-Loch oder 5-Loch Okarina?
Das Loch auf der Rückseite ist so positioniert, dass es vom rechten Daumen erreicht werden kann. Es ist aber so weit von der normalen Stützposition des Daumens entfernt, dass ich es als Subhole benutze.
Zur Orientierung: Auf beiden Fotos ist das Mundstück unten. Deshalb ist die Eule auf den Kopf gedreht.
Probieren und Studieren
Beim Erkunden des Griffsystems und der Intonation entdeckte ich eine interessante Eigenheit dieser Okarina. Warm und mit mittlerem Blasdruck gespielt, entsteht
tatsächlich mit Englisch Crossfingering die
normale Dur-Tonleiter. Startet man allerdings mit zu sanftem Blasdruck, erklingt beim Öffnen des rechten Mittelfingers eine kleine Terz. Das ist eine Eigenheit, die mir Ocarinas mit English
Crossfingering bislang kaum begegnete. Sie verleitete mich, nach einer Moll-Tonleiter zu suchen, was nicht so recht klappen wollte. Als ich dann den rechten Mittelfinger abhob und mit diesem
Griff startete, fand ich dagegen eine Dur-Tonleiter. Zunächst blieb ich bei der 6. Stufe stecken.
Doch bald fand ich mit erhöhtem Blasdruck zur Oktave. Dabei sah die Grifffolge dann folgendermaßen aus:
Diese Grifffolge funktioniert aber nur, wenn man ganz sachte beginnt und die Blasdruckkurve ab der 6. Stufe stark ansteigen lässt. Es war mir sofort klar, dass das nicht
richtig sein konnte. Spielt man durchgehend mit sehr leichtem Blasdruck, klingt die Tonleiter total verstimmt. Kein Wunder! Die Okarina ist nun mal für einen anderen Blasdruck
ausgelegt.
Anfänger, die so etwas nicht wissen und ihre Instrumente vorzugsweise leise spielen, tappen sehr leicht in diese Falle. Erst, wenn sie den Mut haben, ihre Okarina lauter, also mit mehr Blasdruck zu spielen und gelernt haben den Blasdruck so zu kontrollieren, dass damit auch die Intonation kontrolliert werden kann, wird die Okarina anfangen, gut zu klingen.
Wer das English Crossfingering kennt, wird unschwer erkennen, dass die aufgezeichnete Grifffolge diesem System entspricht. Allerdings fehlt der
1. Griff und ich habe für die 5. Stufe einen chromatischen Griff dazwischen gepfuscht. Mit einem offenen Loch starten ist ganz klar falsch. Und mit so einem verpfuschten Griffsystem lässt sich
die Okarina natürlich nicht gut spielen. Also zurück zum regulären English Crossfingering. Mit dem richtigen Blasdruck klappt es dann sofort besser! :-) Die Tonleiter lässt sich mit einer gut
ausbalancierten, leicht ansteigenden Blasdruckkurve spielen!
Aber was ist mit der Terz, die beim Öffnen des ersten Grifflochs entstehen kann, wenn man mit leichtem Blasdruck spielt? - Hier wird der große Intonationsspielraum des tiefsten Tones dazu
genutzt, den Griff für zwei bis drei Töne auszulegen. In diesem Fall sind es drei: C H B. Und wenn man das Subhole mit dem Daumen schließt kommt man noch einen Halbton tiefer zum
A.
Um also den Grundton richtig intonieren zu können, muss man bei diesem Intonationssystem den Blasdruck etwas anheben. Ansonsten landet man unter dem Grundton.
Hat man den Grundton gefunden, übt man, beim Öffnen des 1. Grifflochs den Ganzton über dem Grundton zu treffen. Sobald das klappt, übt man, die nächsten Stufen zu intonieren usw.
Um zu kontrollieren, ob man mit der gefundenen Intonation richtig liegt, sucht man sich mit auf- und abbauendem Blasdruck die optimale Intonation für den höchsten Ton und spielt dann die Tonleiter vom obersten Ton herunter. Auf diese Weise bekommt man ein gutes Gefühl für die beste Intonation eines Instruments.
Hier die korrekte Grifftabelle ohne die durch Blasdruckminderung und Subhole zu findenden Stufen und ohne die mit Halbdeckung zu spielenden chromatischen Stufen:
Die kurze Beschreibung dieses Experiments soll zeigen, wie bedeutend es ist, den für die korrekte Intonation der Okarina richtigen Blasdruck zu finden. Jedem, der den Eindruck hat, seine Okarina sei verstimmt, empfehle ich, sich ein Stimmgerät zu besorgen und zu beobachten, wie sehr die Töne ihre Höhe durch Veränderung des Blasdrucks ändern können.
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